Ich habe sehr lange gebraucht und das bitte ich zu verzeihen, aber die gesamte Problematik rund um "Joschka und Herr Fischer" ist bzw. war nicht so einfach in Worte zu fassen, wie ich es gerne gehabt hätte. Ursache hierfür war keineswegs der Film allein. Es ist vielmehr das Rundherum, welches ich nicht verstehe und welches sich nicht mit meiner eigentlichen Meinung zum Film vereinbaren lässt.
Die Kritik
Problem 1:
Der Filmstart für den "Fischerfilm" war der 19.05., an einen wirklichen Start war jedoch nicht zu denken. Warum?- weil er in der momentanen deutschen Gesellschaft keinen Anklang findet. Viel lieber schnappt man sich früh die Bild und schaltet am Nachmittag durch diverse Reality-Shows, die keine sind. Mir ist bewusst, dass "Joschka und Herr Fischer" kein Hollywood-Blockbuster ist. Dass der Film aber bis zum 06.07. in keinem der örtlichen Kinoprogramme zu finden war ist schon traurig. Ohne jeden Zweifel: für die großen Ketten nicht gewinnbringend, für die kleinen anfänglich zu teuer. Aber wie war das mit Angebot und Nachfrage...
Problem 2:
Die Medienwelt hat selbstverständlich direkten Zugang zu neu erschienenen Filmen, und sofort nach dem Start ist die erste Kritik geschrieben oder noch besser für die "Bildergesellschaft" in ein Video gepresst. Zum Beispiel hier bei der faz. "Leider verzichtet Danquart auf eine Auseinandersetzung mit dem Helden. Das meiste über Herrn Fischer erfährt man von Joschka und umgekehrt" (faz.net, 19.05.). Entschuldigung, aber wie war noch gleich der Titel des Films? Zu keiner Zeit war im Gespräch, dass der Film eine kritische Auseinandersetzung zwischen Joschka Fischer und der politisch wissenschaftlichen Welt sein solle. Geschweige denn ein allumfassender, kritischer Abriss über die deutsche Geschichte.
Vielleicht steigere ich mich zu sehr hinein in meine Idee, aber für mich wirkt es, als wolle man die Gesellschaft von solchen Filmen fern halten. Wer wünscht sich schon einen kritisch denkenden und politisch handelnden Bürger? - Zwei Kriterien, die der Film zweifelsohne fördert.
Der Film
Und jetzt endlich zum Film selbst! Der Einstieg ist auf keinen Fall einfach - zu verwirrend ist der in einer Fabrikhalle herumwandelnde Herr Fischer, dessen Redeanteile höchstens durch verschiedene Landschaften oder Exkurse zu Bekannten und Wegbegleitern unterbrochen werden. Alles wirkt ein wenig unklar und nicht wirklich greifbar. Nach einer gewissen Zeit habe ich jedoch einen Punkt erreicht, an dem all dies ganz normal wurde: Geschichte erzählt aus der Sicht eines vielseitigen älteren Herrn, der im Laufe des Films viele Sympathiepunkte gewinnen konnte. Überhäuft mit Eindrücken, Entscheidungen und Erkenntnissen von Joschka Fischer bietet der Film dabei kaum Gelegenheit mit den Gedanken bei einer bestimmten Situation zu verweilen. Letztlich sind es die Unterbrechungen durch Wälder, Felder und Berge, die dafür dennoch ausreichend Raum schaffen - waren sie zu Beginn noch so unpassend.
Link zum Film-Trailer |
Von der Nachkriegszeit über die 60er und 70er Jahre des Aufruhrs zur Periode des Außenministers scheint die Zeit immer schneller zu verfliegen. Dabei werden einige wichtige Ereignisse zwar übersprungen, deren Fehlen die Qualität des Films jedoch keinesfalls vermindern. Es ist und bleibt das Leben von Herrn Fischer, mit den für ihn wichtigen Ereignissen. Natürlich bleiben diese "unkritisiert" - durch andere. Er selbst übt dafür um so mehr Kritik an sich selbst, seinen Handlungen und Entscheidungen.
Besonders interessant sind auch die Exkurse zu Fischers früheren Weggefährten. Und obwohl diese ihm sehr positiv gesinnt sind, entsteht eine zweite, dritte, vierte... Perspektive, die zum zusätzlichen Nachdenken anregt.
Und plötzlich geht das Licht an - ich verlässt den Saal - still. "Krieg", "Revolution", "Fehler", "Wahnsinn" schwirren durch meinen Kopf, um sich nach und nach zu einem Gesamtkonstrukt zusammenzusetzen. Ein Konstrukt, dass neuer Fragen aufwirft: an die Geschichte, an Politiker, an Deutschland - die Zukunft?
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