"Wie groß kulturelle Unterschiede auch sein mögen, ein Lächeln kann sie verbinden" (Lisz Hirn)
"Genialität und Wahnsinn liegen so dicht beieinander, daß man manchmal die Originalität nicht erkennt." (Sabine Rausch)

Mittwoch, 7. September 2011

Ich weiß nicht mehr - Theresa Hahl

Ich weiß nicht mehr. Warum hab ich früher gedacht, dass es nie regnet.
Denn die Sonne scheint doch strahlend hell, wenn jemand lacht.
Und, dass es nur dann Wellen gibt, wenn ein Wal eine Bauchlandung macht.
Dann dachte ich: Alle Menschen sind traurig bei Regen.
Und Sonnenuntergang gibt es nur, um die Welt mit Strahlengold zu belegen.
Ich dachte: Ein Komet ist ein Phönix und Sternschnuppen eigentlich Glühwürmchen auf der Autobahn.
Und Löwen in Afrika waren für mich nur lebendiger laufender Löwenzahn.
Im Herbst glaubte ich, dass kleine Flammen an den Bäumen lodern
und Regenbögen entstanden für mich, wenn Graffitisprayer den Himmel erobern.
Wenn ich dann Drachen steigen ließ,
wünschte ich mir immer, dass der Wind mich und den Drachen einfach weg bließ. 
Der in der Luft ganz leise knistert 
und mich wegträgt, bis er Wunderwörter wispert.
Für mich war Schnee wie glitzernde Diamantscherben.
Sterne waren Albinosenfkörner und funkelten nur, um den Mond zu umwerben
Blitze waren Momentaufnahmen - von oben.
Donner kam von Engeln auf der Kegelbahn.
Und Bäume waren nicht mehr, als Brokkoli mit Größenwahn.
Für mich bestand Zuckerwatte aus abgeschossenen rosa Wolken, die jemand um einen Holzstab rollte.
Heute weiß ich nicht mal mehr warum ich den Wind mit einem Käscher fangen wollte.
Ich weiß nicht mehr, wie Schatten Wandgemälde malen. 
Ich weiß nichts mehr von Mondsicheltänzen und Sonnenscheinritualen.
Wenn ich jetzt einen Baum seh', denk' ich nur an Toilettenpapier.
Und bei Zuckerwatte ertapp ich mich, wie ich im Kopf Kalorien addier.
Wann hab ich verlernt, wie man den Atem verliert? 
Wann hab ich gelernt, wie die Band funktioniert?
Wann hab ich vergessen, wie der Himmel aussieht?
Wir sehen ihn ja doch nur, wenn er an verglasten Fenstern vorbeizieht.
Sitzen einbetoniert in Häusermauern, 
haben einleuchtende Erklärungen, die in Büchern wohnen und die Zeit überdauern.
Für mich ist es jetzt schon zu spät.
Ich hab bessere Geschichten eingetauscht gegen stichhaltige Rationalität.
Ich weiß nicht mehr, warum ich nicht an Drachen glaube.
Ich weiß nicht mehr, warum die Erde manchmal still steht.
Ich weiß nicht mehr, wie ich der Sonne Strahlen raube 
und hab vergessen - wie die Wiesen wispern, wenn der Wind durchweht.
Wie konnt' ich vergessen, was meine Wirklichkeit war?
Und wie konnt' ich aufgeben, wie ich die Welt in meinen Augen sah.


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